Psychopathische Personen können mit einem ‘7.Sinn’ Verletzlichkeiten ihrer Opfer erkennen.

Zusammenfassung von Theresia Bedard und dem Forschungsausschuss

Forschungsergebnisse im Fokus

  • Männliche Teilnehmer mit psychopathischen Merkmalen bewerteten das Persönlichkeitsprofil einer Person, die als leicht ausnutzbar beschrieben wurde, in einer Weise, die den tatsächlichen Persönlichkeitsprofilen von Menschen ähnelt, die Opfer geworden sind.
  • Ihre Bewertungen eines fiktiven Charakters, der leicht ausnutzbar war, ähnelten den tatsächlichen Persönlichkeitsprofilen, die von Personen berichtet wurden, die in mehreren Dimensionen der Persönlichkeit Opfer geworden waren: soziale Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen.
  • Diese Ergebnisse legen nahe, dass Männer mit psychopathischen Merkmalen möglicherweise in der Lage sind, Informationen über die Persönlichkeitsprofile von Menschen zu nutzen, um zu bestimmen, wen sie für Ausbeutung und Manipulation ins Visier nehmen.

Hintergrund:

Psychopathie wurde bis jetzt hauptsächlich als Persönlichkeitsstörung betrachtet (Hare, 2003). Einige Forscher argumentieren jedoch mittlerweile, dass Psychopathie in unserer evolutionären Vergangenheit adaptive Vorteile bot (Krupp et al., 2013). Aus dieser Perspektive müssen Personen mit Psychopathie, um potenzielle Opfer für Ausbeutung oder Manipulation auszuwählen, Hinweise und Zeichen verstehen, die auf Verletzlichkeit hinweisen.

Gründe für die Studie:

Frühere Forschungen haben ergeben, dass Personen mit hohen psychopathischen Merkmalen in der Lage sind, Personen mit einer Vergangenheit als Opfer bereits aufgrund ihrer Gangart identifizieren können (Ritchie et al., 2018). Vor dieser aktuellen Studie gab es jedoch keine Forschung, die untersucht hat, ob es auch nicht-physische Merkmale (wie Persönlichkeitsmerkmale) gibt, die Menschen mit Psychopathie nutzen könnten, um potenzielle Opfer auszuwählen. Die Forscher waren daran interessiert herauszufinden, ob psychopathische Menschen davon ausgehen, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (wie Extrovertiertheit) darauf hinweisen, dass eine Person leicht auszunutzen ist. Die Forscher wollten auch feststellen, ob es Ähnlichkeiten zwischen dem Persönlichkeitsprofil, das Menschen mit Psychopathie als Anzeichen für ein ideales potenzielles Opfer identifizieren, und den tatsächlichen Persönlichkeitsmerkmalen von Menschen gibt, die Opfer geworden sind.

Wie die Studie durchgeführt wurde:

Phase 1:

Die erste Phase umfasste 173 weibliche Studierende im Grundstudium. Für diese Phase wurden nur Frauen einbezogen, da Frauen im Alter von 18 bis 44 Jahren die höchste Rate an Gewaltopfern aufweisen, obwohl die Gesamtraten für gewaltsame Opfererfahrungen bei Männern und Frauen vergleichbar sind (z. B. Statistik Canada, 2010). Die Frauen wurden gebeten, Fragen zu ihrer Persönlichkeit und ihren Erfahrungen im Zusammenhang mit bedeutsamen Lebensereignissen zu beantworten.
Für die Studie füllten diese Frauen folgende Fragebögen aus:

  • Eine Checkliste für Lebensereignisse: Dieser Fragebogen fragt die Menschen, ob sie eine große Anzahl verschiedener Lebensereignisse erlebt haben, einschließlich sowohl positiver Ereignisse (z. B. „Heirat“, „Abschluss“) als auch negativer Ereignisse (z. B. „Untreue“, „Arbeitslosigkeit“). Die Messung umfasste acht Lebensereignisse, die als gewaltsame Opferereignisse kategorisiert wurden (z. B. Raubüberfall, Körperverletzung) und zwei Ereignisse, die als Opfererlebnisse sexueller Gewalt kategorisiert wurden (sexueller Übergriff und sexueller Missbrauch). Teilnehmer, die eine oder mehrere Arten von Viktimisierung angegeben haben, wurden als „Opfer“ klassifiziert.
  • Eine allgemeine Persönlichkeitsmessung: Gemäß dem HEXACO-Modell der Persönlichkeit setzen sich unsere Persönlichkeiten aus sechs verschiedenen Dimensionen zusammen:
    Ehrlichkeit-Bescheidenheit (z. B. ehrlich, loyal vs. lügen, untreu),
    Emotionalität (z. B. ängstlich, besorgt vs. mutig, unabhängig),
    Extraversion (z. B. kontaktfreudig, gesprächig vs. schüchtern, ruhig),
    Verträglichkeit (z. B. freundlich, nett vs. gemein, streitsüchtig),
    Gewissenhaftigkeit (z. B. verantwortungsbewusst, fleißig vs. unverantwortlich, faul) und
    Offenheit für Erfahrungen (z. B. kreativ, intellektuell vs. einfallslos, praktisch).

Phase 2:

Die zweite Phase umfasste 510 Männer, die gebeten wurden, die Persönlichkeitsmerkmale von Personen zu bewerten, die sie als leicht ausnutzbar oder manipulierbar wahrnahmen.
Diese Männer füllten für die Studie folgende Fragebögen aus:

Eine selbstberichtete Messung von Psychopathie (die Self-Report Psychopathy Scale). Höhere Punktzahlen deuten darauf hin, dass die Person mehr Merkmale von Psychopathie aufweist, während niedrigere Punktzahlen darauf hinweisen, dass die Person weniger Merkmale von Psychopathie hat.

Bewertungen der Persönlichkeit (unter Verwendung der sechs Dimensionen der HEXACO-Persönlichkeit)

Anschließend präsentierten die Forscher den Teilnehmern Beschreibungen von zwei fiktiven Charakteren: 1) eine Person, von der gesagt wurde, dass sie leicht manipulierbar oder ausnutzbar ist, und 2) eine Person, von der gesagt wurde, dass sie nicht leicht ausnutzbar oder manipulierbar ist. Die Teilnehmer bewerteten die Persönlichkeiten der beiden fiktiven Charaktere anhand der sechs Persönlichkeitsdimensionen. Die Forscher identifizierten dann die Persönlichkeitsmerkmale, die die Männer mit Leichtigkeit oder Schwierigkeit bei der Manipulation in Verbindung brachten.

Es gab mehrere bemerkenswerte Ergebnisse:

  • Im Vergleich zu Frauen ohne Opfererfahrungen bewerteten sich Frauen, die Gewalt oder sexuellen Missbrauch erlebt hatten, als weniger verträglich (Agreeableness) und offener für neue Erfahrungen (Openness to Experience).
  • Die Männer in der Studie bewerteten Personen, die als anfällig für Ausbeutung oder leicht ausnutzbar dargestellt wurden, im Durchschnitt als emotionaler und verträ Diese Personen wurden auch als weniger extravertiert, weniger gewissenhaft (Conscientiousness) und weniger offen für neue Erfahrungen (Openness to Experience) eingeschätzt als Personen, die schwerer auszunutzen waren.
  • Das Hauptziel dieser Studie war es festzustellen, ob Männer mit hohen psychopathischen Merkmalen genauere Annahmen über die Persönlichkeitsmerkmale von Menschen machen, die leicht auszunutzen sind, und ob ihre Bewertungen solcher Personen eher den tatsächlichen Persönlichkeiten von Opfern (Teilnehmer der Phase 1 mit vorherigen Opfererfahrungen) ähneln als die Bewertungen solcher Personen durch Männer mit niedrigen psychopathischen Merkmalen.
    Das haben sie herausgefunden: Die Wahrnehmungen von Männern mit psychopathischen Merkmalen bezüglich einer Person, die leicht zu manipulieren ist, ähnelten den durchschnittlichen Persönlichkeitseigenschaften tatsächlicher Opfer in Bezug auf Extraversion, Verträglichkeit (Agreeableness), Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness) und Offenheit für neue Erfahrungen (Openness to Experience). Das bedeutet, dass Personen mit psychopathischen Merkmalen in Bezug auf diese vier Persönlichkeitsdimensionen in der Lage waren, die mit Manipulationsanfälligkeit verbundenen Persönlichkeitsmerkmale zu identifizieren.
  • Allerdings stimmten die Bewertungen von Männern mit psychopathischen Merkmalen über Emotionalität bei einer leicht angreifbaren Person nicht mit den Bewertungen der Emotionalität tatsächlicher Opfer ü Mit anderen Worten, Männer mit psychopathischen Merkmalen waren weniger genau darin, Emotionalität als Anzeichen für Verletzlichkeit zu beurteilen.

Fazit:

Männer mit psychopathischen Merkmalen konnten verschiedene Persönlichkeitsmerkmale identifizieren, die Menschen unterscheiden, die leicht zu Opfern werden, von solchen, die schwerer auszunutzen sind. Diese Merkmale ähnelten den durchschnittlichen Persönlichkeitsprofilen von Frauen mit tatsächlichen Opfererfahrungen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Personen mit psychopathischen Merkmalen genau wissen, welche Art von Persönlichkeitsmerkmalen mit einer Geschichte von Opfererfahrungen verbunden sind. Diese Studie ist ein guter erster Schritt, um herauszufinden, warum Personen mit psychopathischen Merkmalen anscheinend gut darin sind, potenzielle Opfer zu identifizieren und auszuwählen. Wenn Menschen mit Psychopathie in der Lage sind, Personen mit Persönlichkeitsmerkmalen zu identifizieren, die mit Opfererfahrungen verbunden sind, könnten sie besser in der Lage sein, anfällige Menschen für Ausbeutung und Manipulation ins Visier zu nehmen, unabhängig davon, ob diese Personen zuvor Opfer geworden sind oder nicht.

Referenzen zitiert:

-Hare, R. D. (2003). The Hare psychopathy Checklist-Revised. Toronto, Ontario, Canada:Multi-Health Systems.

-Krupp, D. B., Sewall, L. A., Lalumière, M. L., Sheriff, C., & Harris, G. T. (2013). Psychopathy, adaptation, and disorder. Frontiers in Psychology, 4, 139. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2013.00139

-Statistics Canada (2010). Gender differences in police-reported violent crime in Canada, 2008. Retrieved from https://www150.statcan.gc.ca/n1/pub/85f0033m/2010024/userinfo-usagerinfo-eng.htm