Das empathische Gehirn von Psychopathen: Von den Sozialwissenschaften zur Neurowissenschaft der Empathie

übersetzer: Sophia Scheele

Eine Kopie des neuen Artikels „Das empathische Gehirn von Psychopathen: Von den Sozialwissenschaften zur Neurowissenschaft der Empathie” von Dr. van Dongen ist jetzt auf der Mitglieder-Seite dieser Website verfügbar. Dr. van Dongen hat diese Zusammenfassung ihres Artikels erstellt.

Dr. van Dongen ist Assistenzprofessorin für Forensische Psychologie in der Abteilung für Psychologie, Pädagogik und Kinderstudien der Erasmus-Universität Rotterdam, Rotterdam, Niederlande.

Ziel des Review-Artikels war es, einen Überblick über unseren derzeitigen Wissensstand zur Rolle der Neurowissenschaften bei der Untersuchung von Empathie bei psychopathischen Persönlichkeiten zu geben. Zunächst werden in dem Artikel einige konzeptionelle Fragen im Zusammenhang mit dem Wesen der Empathie und den damit verbundenen Konzepten geklärt, und dann werden Studien zu den an der Empathie beteiligten neuronalen Schaltkreisen untersucht. Zweitens wird ein kurzer historischer Überblick über das Konstrukt der Psychopathie gegeben, und es werden verschiedene theoretische Modelle zu diesem Syndrom der Persönlichkeitsstörung vorgestellt. Im dritten Abschnitt wird ein Überblick über die empirische Evidenz zu Psychopathie und Empathie gegeben, der die Bedeutung der sozialen Neurowissenschaften für das Verständnis der Psychopathie aufzeigt. Im vierten Abschnitt schließlich erörtert die Autorin einen neuen Weg für die Nutzung der Neurowissenschaften bei der Untersuchung des „empathischen Gehirns” von Psychopathen.

In der Review argumentiert die Autorin, dass Empathie eine entscheidende menschliche Fähigkeit ist. Empathie wird als die natürliche Fähigkeit gesehen, die affektiven Zustände anderer zu teilen, zu verstehen und mit Sorgfalt darauf zu reagieren. Sie scheint eine wichtige Rolle bei sozialen Interaktionen zu spielen, nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Arten. Darüber hinaus wird angenommen, dass Empathie eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung von prosozialem Verhalten und der Verhinderung von aggressivem Verhalten spielt, und es wurde festgestellt, dass sie für die Entwicklung eines Gefühls für Moral grundlegend ist. Ein Überblick über die Literatur zum Thema Empathie aus mehreren Jahrhunderten zeigt, dass Empathie manchmal mit anderen Konzepten wie Sympathie und Mitgefühl verwechselt oder austauschbar verwendet wird. In der vorliegenden Review wird Empathie von Sympathie und Mitgefühl unterschieden. Eine wichtige Unterscheidung besteht darin, dass Empathie nicht nur die fremdbezogene Empathie (d. h. empathische Anteilnahme) umfasst, sondern auch selbstbezogene Reaktionen (d. h. emotionale Not und emotionale Ansteckung) einschließt. Somit unterscheidet sich Empathie von Sympathie und Mitgefühl in dem Sinne, dass sie Gefühle beinhaltet, die den Gefühlen der anderen Person ähnlich sind, und nicht nur das Wissen, wie sich die andere Person fühlt.

Man geht davon aus, dass ein Defizit in den empathischen Fähigkeiten, insbesondere im affektiven (fühlenden) Teil der Empathie, eine wichtige Rolle bei der psychopathischen Persönlichkeit spielt. Empathische Fähigkeiten wurden traditionell in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften mit verhaltenswissenschaftlichen Methoden untersucht, aber neuere Arbeiten in den Neurowissenschaften haben begonnen, die neuronalen Grundlagen der empathischen Verarbeitung im Zusammenhang mit Psychopathie zu beleuchten. In dieser Review werden die aktuellen Erkenntnisse der sozialen Neurowissenschaften über Empathie diskutiert und ein umfassender Überblick über die neuronalen Mechanismen gegeben, die der Empathie bei psychopathischen Persönlichkeitsstörungen zugrunde liegen. Darüber hinaus wird argumentiert, dass eine Klassifizierung von Menschen, die nur auf offenkundigem Verhalten basiert, nicht ideal ist. Solche Klassifizierungsansätze bergen die Gefahr, dass wichtige Mechanismen, die der Psychopathie zugrunde liegen, nicht erkannt werden. Daher wird in der Review ein bio-kognitiver Ansatz vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, bei dem wir Informationen aus verschiedenen Analyseebenen (sowohl der Ebene der physiologischen Reaktion als auch der Verhaltensebene) nutzen, um neue Kategorien zu ermitteln, in denen Personen gruppiert werden. Ein solcher Ansatz scheint besser geeignet zu sein, um die zugrunde liegenden (neurobiologischen) Funktionsstörungen zu verstehen. In der Folge können diese neu definierten Kategorien bei der Ausrichtung von Interventionen und Behandlungen wirksamer sein.

Nach Ansicht der Autorin liegt das zukünftige Verständnis des sozialen Gehirns von Psychopathen in der Untersuchung der komplexen neuronalen Netzwerke im Gehirn in Kombination mit der Nutzung anderer Informationsebenen (z. B. Genetik und Kognition). Auf der Grundlage der Informationen, die wir auf allen drei Analyseebenen erhalten, können Profile von Individuen erstellt werden, die als Leitfaden für neurowissenschaftlich fundierte personalisierte Behandlungsmaßnahmen dienen können, die letztlich gewalttätiges Verhalten bei Individuen mit psychopathischen Zügen verringern. Um voranzukommen, bedarf es eines neuen Ansatzes bei der Untersuchung komplexer Mechanismen, wie z. B. Empathie, in der psychopathischen Persönlichkeit. Die Autorin schlägt vor, dass der neue Weg nach vorn auf Grundlagen beruhen muss, die die Notwendigkeit unterstreichen, mehrere Ebenen von Datentypen, einschließlich neurobiologischer Informationen, zu integrieren, um psychopathische Persönlichkeit zu klassifizieren. Auf diese Weise wird ein präziserer (oder personalisierter) Ansatz in der Medizin zu einer vielversprechenden neuen Behandlungsstrategie führen, die die Sozialwissenschaft, einschließlich der Psychologie, bei der Entwicklung neuer und wirksamer Interventionen für Psychopathie anleiten kann.